Nachlese_Zum Vortrag “Kunstpädagogik und künstlerische Forschung”
In Anlehnung und Abgrenzung zu wissenschaftlichen Forschungsprozessen erklärte Joachim Kettel in seinem Vortrag „Kunstpädagogik und künstlerische Forschung“ die Bedingungen und Komponenten künstlerischer Forschungs- und Bildungsprozesse: epistemische Dinge (Dinge der Erkenntnis), Experimentalsituationen, epistemische Räume (Räume der Verdichtung wie Ateliers und Werkstätten), ästhetisches Denken und Handeln, sowie ästhetische Praktiken. Bezüge zu eigens durchgeführten künstlerischen Projekten mit Studierenden machten die theoretischen Passagen greifbarer. Dabei stellte er Schritt für Schritt den Zusammenhang zwischen Forschung, Kunst und Kunstpädagogik dar.

Besonders interessant gestaltete sich für mich die Frage nach der Bedeutung der Atelierarbeit und ihrem Bezug zur ästhetischen Praxis.
Zur Veranschaulichung nutzte Kettel Bilder von vergangenen Exkursionen der Karlsruher Kunstpädagogikkurse nach Italien (2007-2019), in denen es um eigene ästhetische Forschungsprozesse der Studierenden ging. Zu sehen waren einzelne Atelierplätze oder Ausstellungssituationen: Schreibtische voller Materialien und skulpturalen Gebilden, behangene Wände mit Zeichnungen, Malereien oder gesammelten Objekten/ Gegenständen und Naturmaterialien. Räume der Exploration und bricolage (Bastelei), die von einer Vielzahl an Medien, Materialen, Werkzeugen und ortspezifischen ad-hoc-Maßnahmen für den ästhetischen Prozess Gebrauch machten.
Nicht nur Fernweh, sondern auch ein Gefühl von Sehnsucht nach der Atelierarbeit in der Kunsthochschule Kassel schossen in mir hoch. In Ateliers/ Studios/ Werkstätten „herrscht ein anderes Zeitmaß“, erklärte Herr Kettel und das entsprach genau meiner Erinnerung und Empfindung. Dennoch haben diese Räume „Bezug zu Alltag und Gesellschaft“ und die in ihnen stattfindenden Tätigkeiten. Gleichzeitig lassen diese Räume ständig Strukturen hinter sich, damit Hindernisse überwunden werden können.
Das ästhetische Denken, das sich hier bildet, nutzt andere mediale Formen und Weisen des Ausdrucks als wissenschaftliches Denken und Sprechen. Durch das Denken und Handeln in anderen Medien (d.h. mit/in/durch Materialitäten und/oder Medien) greifen Machen, Hervorbringen und Können ineinander. Der ästhetische Forschungsprozess lässt sich über diese Tätigkeiten in einer Übergangszone zwischen Erforschtem und Unerforschtem beschreiben. Handlung und Reflexionen stehen in einer permanenten Wechselwirkung. Der ästhetische Forschungsprozess ist nicht geordnet, kein lineares Setting, dafür ein anhaltender reflexiver Prozess, selbstreferentiell und als eine Totalität zu beschreiben, in der Nichts zufällig ist.
Anknüpfend an die Kunstpädagogik unterstreicht Herr Kettel folgendes: „Wir müssen einen anderen Erkenntnis-, Wissens- und Erfahrungsbegriff einer zukünftigen ‚Wissensgesellschaft‘ entwickeln und begründen, der das Bild eines veränderten kunstpädagogischen Subjekts entwirft“ (Kettel: SelbstFremdheit, 2001).
Künstlerische Forschung im Kunstunterricht bedeutet daher eine sukzessive Hinführung zum eigenständigen Denken der Schüler und Schülerinnen. Dabei nehme ich für mich persönlich den Appell mit, dass ich als Kunstlehrerin wissen muss, welche Position ich vertrete und mit welchen Referenzen ich meine kunstpädagogischen Handlungen planen will. Aus dem Ansatz der künstlerischen Forschung kann hier abgeleitet werden, dass man als Lehrkraft bewusste Unterbrechungen und Irritationen im Unterricht schaffen muss. Ein spannender Ansatz mit dem ich mich gerne mehr beschäftigen möchte.