Nachlese_Zum Vortrag “Die Ästhetik und Anästhetik der Tier-Mensch-Beziehung”

Am 22.06. hielt Ana Dimke in der Reihe Punkt Sechs einen Vortrag zum Thema “Ästhetik und Anästhetik der Tier-Mensch-Beziehung”. Sie lehrt an der UDK Berlin und publiziert als Wissenschaftlerin vor allem zu Themen der Kunsttheorie. Mittlerweile liegt ihr Forschungsschwerpunkt auf den “Human-Animal-Studies” und dem Thema der Tierethik im Kunstunterricht.

Leitfragen ihres Vortrags waren, wie ästhetisch und pädagogisch mit Themen der “Human-Animal-Studies” umgegangen werden kann und wie sich eine tierethische Kunstpädagogik im Unterricht konkret umsetzen lässt.

In den “Human-Animal-Studies” werden Tiere klar als gesellschaftlich aktive Akteure gesehen, die Rechte besitzen und eigenständige Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen sind. Ihnen wird u.a. zugesprochen, die Fähigkeit zu besitzen, sich sprachlich zu verständigen und außerdem ein Selbstbewusstsein, Emotionen sowie einen Sinn für Ästhetik zu haben. Somit ist es zentral, sich der engen Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier bewusst zu sein und sie nicht als fundamental verschieden zu begreifen.

Ana Dimke hinterfragte in ihrem Vortrag die Sicht der Menschen auf die ‘nicht-menschlichen’ Tiere und den Umgang mit ihnen kritisch. Sie stellt die These auf, dass unsere Gesellschaft durch Phänomene wie Massentierhaltung oder das Kostümieren von Haustieren, Tiere verdinglicht und damit entindividualisiert.

Bildbeispiel von Johann Melchior Roos “Das große Kasseler Tierbild” (Menagerie Schloß Wilhelmshöhe) 1722, das Dimke u.a. in ihrem Vortrag zur Veranschaulichung zeigte.

Der Pädagogik komme in diesem Kontext, laut Dimke, eine wichtige Rolle zu, da sie ethische Vorstellungen generiere. Im Kunstunterricht müsse man Schüler*innen für diese Themen sensibilisieren und tierethische Fragestellungen praktisch/bildnerisch bearbeiten. So werden zum Beispiel Kunstwerke, in denen Tiere vorkommen auch unter tierethischen Aspekten betrachtet und analysiert. Eine weitere kunstpädagogische Strategie, die Ana Dimke vorstellte, ist die ‘Displacement strategy’. Sie besteht in der Entobjektivierung der Darstellung eines Tieres, indem ihm eine biografische Geschichte verliehen wird. So soll ein Umdenken und Hinterfragen der ‘eigenen’ menschlichen Sicht auf nicht-menschliche Individuen in Gang gebracht werden. Auch indem Schüler*innen in Kontakt kommen mit lebendigen Tieren und sie beobachten, könne ein respektvoller und artgerechter Umgang mit Tieren gefunden und geübt werden.

Die Beschäftigung mit tierethischen Themen im Unterricht und das Hinterfragen des menschlichen Umgangs mit Tieren, auch in der Ästhetik, könnte Teil eines Weges sein, hin zu einem gleichberechtigterem Umgang von Mensch und Tier.

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