Rundgang_2021

Die Kunstpädagogik Kassel zeigt zum diesjährigen Rundgang erneut in digitaler Form die Theorie- und Praxis-Ergebnisse, die in den einzelnen Seminarformaten entstanden sind. Wir wollen mit Ihnen/euch auf ein weiteres digitales Semester zurückblicken, indem trotz aller technischen und mentalen Herausforderungen viele spannende Prozesse in den Seminaren angestoßen wurden. Es erwartet Sie/euch also ein vielfältiger Einblick in die Arbeit der Kunstpädagogik.

Einführung in die Kunstpädagogische Positionen_Basismodul

Warum eigentlich Lernvideos in der Kunstpädagogik gestalten? Der Reiz dieses Auftrags an die Studierenden lag in der Herausforderung, komplexe Zusammenhänge so aufzuarbeiten, dass sie auch für einen Laien gut verständlich präsentiert werden. Dafür mussten diese Zusammenhänge zunächst gut durchgearbeitet werden, um wirklich zu verstehen, um was es geht.

Intermediärer Raum_Winnicott

Die Gruppe Basis II L1 setzte sich mit dem Konzept des „Intermediären Raumes“ von Donald W. Winnicott auseinander: ein in vielerelei Hinsicht für den Kunstunterricht elementares Konzept.

Video von J. Bende

Es lässt verstehen, warum der Bereich der Phantasie und der Phantasiebildung so wichtig ist für den Menschen im Umgang mit sich selbst und mit der Welt, in der er lebt und weshalb insbesondere der Kunstunterricht einen solchen Raum für Schüler*innen öffnen sollte.

Video von T. Heinzel

Die einzelnen Video-Beiträge versuchen vorrangig, diesen ‘intermediären Raum’ darzustellen und in seiner Funktion zu erläutern.

Video von A. Krämer

Durch die Kombination von Bild, Ton und Text ist nicht nur ein inhaltliches Verständnis des Konzepts gefragt, sondern auch eine gekonnte Übersetzung in die visuelle Gestaltung.

Video von M. Stein



Kreativer Akt_Duchamp

Die Gruppe Basis II L2/L3 setzte sich mit dem Konzept „Der kreative Akt“ von Marcel Duchamp auseinander. Mit diesem Konzept postuliert Duchamp eine Alternative zu herkömmlichen Vorstellungen von ‚kreativ sein‘, die bis heute in der Kunstwelt als aktuell gelten kann. Duchamp stellt heraus, dass am kreativen Akt als einem komplexen Prozess nicht nur bewusste, sondern wesentlich auch unbewusste Momente mitarbeiten und dass erst die Außenwelt (Rezipientinnen, Kritikerinnen, Sammlerinnen, Kuratorinnen etc.) das Werk vollenden.

Video von L. Grewenig

“Ich glaube, die Kunst ist die einzige Tätigkeitsform, durch die der Mensch als Mensch sich als wahres Individuum manifestiert.”

Video von C. Weyers

“Ein Kunstwerk existiert dann, wenn der Betrachter es angeschaut hat. Bis dahin ist es nur etwas, das gemacht worden ist, und wieder verschwinden kann, ohne dass jemand davon weiß…”

Video von N. Hauck

“Ich möchte ganz einfach sagen, daß Kunst gut, schlecht oder indifferent sein kann, aber daß wir sie, gleich mit welchem Beiwort, Kunst nennen müssen: schlechte Kunst ist immer noch Kunst, wie ein schlechtes Gefühl doch ein Gefühl ist.”

Video von R. Jimenez

“Sie kennen genau meine Meinung hinsichtlich der Fotografie. Ich würde es gerne sehen, wenn sie die Leute zur Verachtung der Malerei bringt, bis dann etwas anderes die Fotografie unerträglich macht.”

Video von S. Renke

“Ich glaube nicht an die Kunst, ich glaube an den Künstler”

Video von L. Koch und C. Schiffauer

Eine Grundfrage der Lehrer*innen-Ausbildung in der Kunstpädagogik betriffz die Frage nach dem eigenen Kunstbegriff. Wie aus den vorherigen Zitaten Duchamps ersichtlich wird, bietet er eine kritisch-reflexives Haltung an, die einen weiten Kunstbegriff hervorbringt.

Video von L. von Stein und J. Felthöfer

Dieser weite Kunstbegriff, der sich immer wieder selbst in Frage stellt, ist eine wichtige Grundlage unseres heutigen Kunstverständnisses.

Video von A. Preukschat


Den Kanon aufbrechen_Transkulturalität im Kunstunterricht

Neben der Frage nach dem Kunstbegriff, ist die Frage des Kanons zentral für die eigene Haltung als zukünftige Kunstlehrer*in. Oft wird der Kanon bis heute im Kunstunterricht zwar vermittelt, aber nicht offen thematisiert und diskutiert. Dies führt häufig zu einer ‘klassischen’ Werkauswahl, die vor allem westlich, europäisch, christlich und ‘weiß’ ausgerichtet ist – vor dem Hintergrund von Phänomenen wie Globalisierung, Migration und Transkulturalität ist das aber durchaus problematisch. Daher widmete sich dieses Seminar den Ansätzen und Strategien, mit denen Kunstunterricht inter- bzw. transkulturell gestaltet werden kann.

Ausgangspunkt des Seminars war eine Reflexion der eigenen Haltung und der eigenen (vermeintlichen) kulturellen Identität bzw. Zugehörigkeit sowie des visuellen Umfeldes, das die eigene Wahrnehmung prägt. Ein Ansatz der u.a. von den critical whiteness studies stark gemacht wird: Um eine kritisch-reflektierte Haltung zur eigenen Kultur zu entwickeln, bedarf es erst und vor allem einer Reflexion der eigenen Haltung, der eigenen Stereotype, Vorurteile…

Dabei spielen auch komplexe Begriffe und Zuschreibungen wie ‘eigen’ und ‘fremd’ eine wichtige Rolle – was empfinden wir als ‘zu uns zugehörig’, wo/wann grenzen wir uns aber eben auch von ‘anderen’ ab? Dabei stellte sich als eine wichtige Erkenntnis des Seminars heraus, dass Begriffe kontextualisiert und kontrovers diskutiert werden müssen. Insbesondere auch, um der momentanen Tendenz zur cancel culture entgegenzuwirken und ‘im Dialog’ zu bleiben.

Zur Reflexion der eigenen Haltung gehörte auch eine Reflexion verschiedener Bergifflichkeiten, die im Kunstunterricht eine Rolle spielen – die Studierenden H. Baker und A. Schaller setzten sich u.a. mit den Begriffen Primitiv, Primitivismus, außereuropäisch etc. auseinander.
Die Studierenden B. Panahi und T. Heckelsmüller setzten sich mit dem Prinzip ‘Transkulturalität’ im Kunstunterricht auseinander, das u.a. von A. Schnurr vertreten wird.

Dabei spielen natürlich auch alltägliche Repräsentationen von Kultur oder kultureller Vielfalt eine maßgebliche Rolle, wie diese Werbung von ‘United colors of Benetton’ aus den 1990er Jahren zeigt – hier werden Stereotype einer postiv gewendeten kulturellen und ethnischen Vielfalt als Werbestrategie instrumentalisiert, damit aber auch fest- und fortgeschrieben.

Die Kunstpädagogik als Fach hat sich erst relativ spät mit interkulturellen Anätzen auseinandergesetzt, wie es sich unter anderem am fachinternenen Diskurs in der Zeitschrift Kunst + Unterricht ablesen lässt.

Die beiden Ausgaben der K+U markieren zwei wichtige Initiativen zur Entwicklung einer inter-/transkulturellen Kunstpädagogik: Ansgar Schnurr gestaltete die Ausgabe links von 2018 zum Prinzip Transkulturalität im Kunstunterricht. Hubert Sowa hatte 2011 eine Ausgabe mit dem Fokus auf die Förderung einer interkulturellen Kompetenz herausgegeben.
Die Studierenden N. Bauer und A. Lewald setzten sich kritisch mit einem Unterrichtsentwurf von Hubert Sowa zum Besuch in einem Völkerkundemuseum auseinander.
B. Panahi und T. Heckelsmüller stellten auch die Prinzipien/ Leitlinien eines transkulturellen Kunstunterrichts nach A. Schnurr zur Debatte.

Insgesamt lassen sich aber insbesondere aus dem Bereich der Ausstellungen Materialien heranziehen, die versuchen, transkulturelle Strategien zu entwickeln, ein breiteres Publikum in einer modernen Migrationsgesellschaft anzusprechen und konservative, eurozentrische Ausstellungskonzepte zu verändern. Deshalb wurde u.a. ein Seitenblick auf die Entwicklung in den Museen in Deutschland (und zum Vergleich) in Frankreich geworfen:

Die Studierenden haben sich dann im Laufe des Seminars mit verschiedenen Ansätzen und konkreten Unterrichtsbeispielen zur Integration eines transkulturellen Ansatzes auseinandergesetzt. Dabei wurden verschiedene Schwerpunkte gewählt:

Dabei spielte es eine wichtige Rolle, die verschiedenen Aufgabenformate und Unterrichtsvorschläge kritisch zu reflektieren und kontrovers zu diskutieren. So löste insbesondere dieses Zitat von Hubert Sowa (ausgwählt von N. Bauer und A. Lewald) heterogene Reaktionen aus: Was steht im Herzen des Kunstunterrichts? Geht es um ästhetische Erfahrungen, die Erpobung künstlerischer Strategien oder, wie oben angedeutet, vor allem um die Konstruktion von bestimmten Aufgabenformaten, die den Rahmen für solche Erfahrungen und Prozesse formulieren?

Gleichzeitig dienen Theorien der postcolonial studies als flankierende Diskursebene, die es erlaubt Unterricht neu zu denken und die verschiedenen (kulturellen) Identitätskonzepte einzubeziehen, die mittlerweile in Klassen präsent sind:

Übersicht von B. Panahi und T. Heckelsmüller

Einen weiteren Schwerpunkt bildeten zeitgenösssiche Künstler*innen, die transkulturell arbeiten bzw. die Strategie des kulturellen ‘Remix’ gezielt nutzen und damit die Omnipräsenz dieser kulturellen Mehrschichtigkeit bewusst machen:

Bikoro thematisiert in Ihrer komplexen, mehrteiligen Arbeit vor allem die koloniale Vergangenheit und die Wunden, die diese bis heute hinterlässt.
A. Limbacher stellt die Technik des Häkelns als möglichen Ausgangspunkt für eine partizipative Arbeitsweise im Kunstunterricht vor und bezog die Arbeit von Jorgensen ein.
Die gemeinsame Diskussion, das Aushandeln von Themen, Fragen und Konzepten bildete eine Schwerpunkt, der u.a. auch stark durch die Teilnehmer*innen angestoßen wurde, wie hier in der Folie von N. Bauer und A. Lewald angedeutet.


Ästhetische Praxis in der Kunstpädagogik_Praxis künstlerischer Bildung in der Grund- Haupt- und Realschule – Projektarbeit zu Farbe und Form

Gegenstand des Seminars bildete der Umgang mit Farben und Formen im Erfahrungsprozess des eigenen künstlerischen Tuns. Das Eintauchen in die Malerei wurde als Prozess verstanden, bei dem die Studierenden über das Experimentieren, Ausprobieren und Skizzieren eigene künstlerische Arbeiten entwickelten.

Anregungen und Inspirationen bot dabei die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen künstlerischen Malereipositionen. Des Weiteren ermöglichten Sach- und Naturstudien die Schulung des Sehens und Wahrnehmens.

Maya Wieters
Acryl auf Papier, je 21 x 29,7 cm

Thessa Heinzel
Aquarelle auf Papier (Bild 1+2), 50 x 34 cm und 50 x 70 cm; Acryl auf Papier (Bild 3), 50 x 34 cm

Lis Nachtigal
Pflanzenfarbe auf Papier (Bild 1+2), 10 x 25 cm und 40 x 31 cm; Acryl und Faden auf Papier (Bild 3), 42 x 31,5 cm

Janine Bende
Aquarelle auf Papier, je 10 x 7cm (Bildgruppe 1+2); Acryl auf Leinwand, 76 x 73 cm (Bild 3)

Svenja Ochmann
Acryl auf Papier und Pappe, 40 x 18 cm (Bild 1); Acryl und Faden auf Schaumstoff, 50 x 80 cm (Bild 2); Acryl auf Papier und Tüll, Ausschnitt 22 x 27 cm (Bild 3)

Melanie Emde
Acryl auf Papier, 19 x 21cm (Bild 1); Acryl auf Papier, 19 x 78cm (Bild 2); Noppenfolie gedruckt Acryl auf Papier, 36 x 40cm (Bild 3)

Malena Kreuzberger
Acryl und Fineliner auf Papier, je 15 x 11cm (Bild 1+Bildergruppe 2); Acryl, Schnur und Papier, 21 x 15cm (Bild 3)

A.-M. Schölch
Acryl auf Papier, 30 x 30 cm (Bild 1); 20 x 15cm (Bild 2); 33 x 25cm (Bild 3

Franziska Ernst
Acryl auf Papier, 7,7 x 5,2cm (Bild 1); 24 x 17,5cm (Bild 2); 42 x 29,5cm (Bild 3)

Ysabel Bölling
Acryl auf Papier, 30 x 40cm (Bilder 1); Öl auf Leinwand, 15 x 15cm (Bildergruppe 2); Öl, Acryl auf Leinwand, 15 x 15cm (Bildergruppe 3)

Ästhetische Praxis in der Fachdidaktik Freiraum – Beziehung – Transformation. Ein künstlerisch-dokumentarisches Projekt

Wir setzen uns mit kollektiven Orten und Ideen auseinander, die sich aktiv mit der Frage beschäftigen, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen und welche Alternativen zu unserem bestehenden System eröffnet werden können. Wie erhalten wir uns Freiräume in Zeiten der Beschleunigung und Entfremdung, schaffen Gegenentwürfe und beziehen diese in unser Denken und Handeln ein, statt gegen sie zu arbeiten. Zur Ausstellung bespielen wir den Quartiers- und Mitgliederladen der Unterneustadt mit Arbeiten die auffordern eigene Spielräume wahrzunehmen und zu besetzen.

Die Ausstellung ist einsehbar zu den MILA Öffnungszeiten, unter gegebenen Hygienemaßnahmen der Stadt Kassel: Di+Mi 16h–18h, Sa 9h–12h Ausstellungsdauer bis einschließlich 04.09.21

Ästhetische Praxis in der Fachdidaktik. Ein künstlerisch-dokumentarisches Projekt geleitet von Tanja Jürgensen.

Die Künstlerinnen

Malin Kuht
Soundinstallation, Fotografie

“der raum ist da, wo wir uns hören” (sound installation, 5-spuren, 14min, loop) Im Austausch entsteht ein gemeinsamer Raum. Im aufgreifen, im ergänzen, im verständlich machen, im nachfragen und im zuhören – diese Arbeit stellt diesen kollektiv gewachsenen Prozess ins Zentrum und übersetzt ihn von innen nach außen. Ergänzt durch Atmosphären, Aufnahmen von entfernten Orten und Musik, die zusammen mit mx child produziert wurde.

Paulin Postel
Textkunst

Welche Bedeutung hat das Gehen im Alltag und wie kann es als Indikator für Veränderungen dienen? Wann gehe ich alleine und wann mit anderen Menschen? Wann ist es mir erlaubt und wann bin ich in meinem Gehen eingeschränkt?

Linda Gottwald

Fotografie, Textkunst, Plakatgestaltung

Yasmeen Shirazi
Fotografie, Collage

Es ist eine Möglichkeit der Selbstbestimmung, in der biologische Körperprozesse sichtbar gemacht werden können – so wird die Verantwortung für den eigenen Körper und das Wissen über den eigenen Körper nicht an Zyklustracker-Apps oder generell an Institutionen abgegeben.

Désirée Tadych
Collagen, Fotografie

Die Gärtnerei Fuldaaue organisiert sich nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft und stellt damit einen kollektiven Ort dar, an dem ein innovatives Konzept gelebt wird. Sie fördert und erhält eine bäuerliche und vielfältige Landwirtschaft, stellt regionale Lebensmittel zur Verfügung und ermöglicht Menschen einen neuen Erfahrungs- und Bildungsraum. In diesen Erfahrungs- und Bildungsraum durfte ich eintreten und Momente der Entschleunigung und der Distanzierung von einer zunehmend virtuellen Welt erleben. Die Arbeiten beschäftigen sich in einer Art der „Feldforschung“ mit den Gegebenheiten dieses Ortes und meinen persönlichen Reflexionen während meiner Teilnahme an den Tätigkeiten dort.

Lea Wagner
Zeichnung

Assoziationen, Gedanken, Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Wann manifestiert sich ein eigentlich undefinierter Begriff im Alltag verschiedener Personen? Zeichnungen greifen Ausschnitte aus Gesprächen rund um die Thematik auf und sollen den Betrachter:innen eigene Identifikationsräume eröffnen.

Mishale Wittkopp
Fotografie, Interaktive Installation

Dort wo eigentlich kein Freiraum zu finden ist, wird durch digitale Nachbearbeitung Platz für Neues beansprucht. Die künstlich erzeugten Freiflächen sollen zum individuellen Nachdenken und gedanklichem Schaffen anregen. Die interaktive Installation fordert die Bersucher*Innen auf, Gedanken über die gegebenen Fragestellungen der Ausstellung zu formulieren.